Von wegen oldschool…
Für einige Menschen hat das Wort „Internat“ einen etwas altertümlichen Beiklang. Man könnte an verstaubte Bibliotheken, Marmorhallen, schwere Holztüren, Schuluniformen oder überwachsene Steinmauern denken. Das liegt an dem Traditionsreichtum der meisten Internate, die oft in den alten Räumlichkeiten von Klöstern und Schlössern untergebracht sind. Selten denkt man daher an IPads, Whiteboards, innovativen Unterricht und moderne Schulareale. Bereits in den 90er Jahren wurde das Internat in der öffentlichen Diskussion als ein vermeintliches „Auslaufmodell“ wahrgenommen, das es in Wahrheit keineswegs ist. Denn das Internat ist alles andere als ein unzeitgemäßes Relikt. Dazu genügt es alleine, den Blick vom deutschen Diskurs der 90er abzuwenden und nach England oder Amerika zu richten. Hier war und ist das Internat ein Traum, auf den Familien lange und zielgerichtet sparen.
Dem Zeitgeist unterworfen
Tatsache ist, dass Internate ihre Bedeutung im Laufe der Zeit verändert haben und immer wieder vor der Herausforderung stehen, ihre Vorteile gegenüber staatlichen Schulen geltend zu machen. Dennoch ist es nur die halbe Wahrheit, dass strukturelle und gesellschaftliche Faktoren zu rückläufigen Schülerzahlen auf Internaten geführt hätten. Immerhin leben in den über 200 deutschen Internaten noch etwa 14.000 Schüler. Wo Internaten eine konservative, modernitäts- und weltverschlossene Gesinnung unterstellt wird, sind sie in Wahrheit oft technisierter, flexibler und globalisierter als andere Schulen. Nicht wenige von ihnen erfreuen sich einer rasant gestiegenen Ausländerquote und weiterhin starker Nachfrage im In- und Ausland. Auch die Internatspädagogik ist heute nicht weniger liberal als an staatlichen Schulen und legt besonders viel Wert auf die freie Persönlichkeitsentfaltung sowie intensive Förderbetreuung. Fraglos hat das Angebot an Ganztagesbetreuungen und vergleichbarer Konzepte zugenommen und neue Herausforderungen an Internate gestellt, doch belebt Konkurrenz bekanntlich das Geschäft: Die Internatslandschaft ist spezialisierter, bunter und ausdifferenzierter geworden. Es gibt neue Konzepte der Internatsanbindung, etwa die Öffnung für externe Schüler, sowie multiple Ausrichtungen, was die Bedürfnisse der Kinder betrifft. Manche Internate sind auf Begabtenförderung ausgerichtet, andere auf erzieherische Aspekte, Konfessionen oder individuelle Talente wie Sport und Musik. Wer heute ein Internat sucht, der hat die Qual der Wahl und sollte mit Bedacht ein Angebot suchen, dass optimal zu den persönlichen Anforderungen passt. Der Aufwand lohnt sich, denn die Qualität der Schulausbildung, die auf diese Weise individuellen Stärken gerecht werden kann, ist aufgrund dieser Sondierungsmöglichkeiten umso höher. Das Bildungs- und Erziehungskonzept ist so geradezu maßgeschneidert für die einzelnen Schüler.
Begabungen erkennen und stärken
Das Internat ist und bleibt auch für hochbegabte Kinder einer der besten Bildungs- und Betreuungswege. Statistisch fallen etwa 2% der Bevölkerung in diese Gruppe, was in Deutschland demnach etwa 1,6 Millionen Menschen betrifft. In staatlichen Schulen haben hochbegabte Kinder jedoch häufig besondere Schwierigkeiten. Spezielle Förderungsmöglichkeiten sind kaum oder nur extern vorhanden, frühe Signale bleiben oft unbemerkt oder werden fehlinterpretiert. Die reduzierte Klassengröße und die starken Leistungsanreize auf Internaten wirken sich dagegen positiv aus. Gerade durch die exklusive Förderung auf Begabteninternaten, wo die Schüler von ebenso wissensdurstigen Mitschülern umgeben sind, können Hochbegabte hier von einem überdurchschnittlichen Unterrichtsniveau profitieren.
Zurück in die Zukunft: Das moderne Internat
Die heutigen Vorteile von Internaten bestehen über die Begabtenförderung hinaus. Die Besonderheit des Schultyps bleibt erhalten, denn hier wird eine der unverzichtbarsten Grundkompetenzen der modernen Welt besser vermittelt als irgendwo sonst: Teamfähigkeit. Schließlich wächst man im Internat von Anfang an in eine starke Gemeinschaft hinein und muss lernen, Kompromisse zu finden. Gleichzeitig wird die Selbstständigkeit unterstützt, da die Kinder fernab des Elternhauses ihre eigenen Entscheidungen treffen und Konflikte lösen müssen. Das Ergebnis ist ein doppelter Gewinn an subjektiv
er und kollektiver Verantwortung. Auch im konkreten Unterricht sind Internate nicht in der Zeit stehen geblieben. Teilweise bieten sie Kurse rund um digitale Themen und Trends an, die nahezu futuristisch anmuten. Dazu stehen technische Mittel bereit, wie staatliche Schulen sie sich nur selten leisten könnten.
Das Internat von heute ist somit keineswegs von gestern und wird der Diversität gerecht, die unsere Gegenwart auszeichnet. Dass das Internat noch immer trendy, aufregend und zugleich romantisch sein kann, dafür sind Jugendserien wie Schloss Einstein, das Haus Anubis oder die Winx-Saga der wohl beste Beweis: Der Zauber bleibt also erhalten.
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